Vilem Flusser, Hinweg vom Papier
Schriebt man auf Papier, dann ist man gezwungen, seiner Kreativität Grenzen zu setzen. (…) Man ballt seine Kreativität, um sie auf ein Minimum von Papier mit einem Minimum an Schriftzeichen aufzutragen.
Schreibt man hingegen ins elektromagnetische Feld, dann wird der kreative Text zwar auch Zeilen bilden, aber diese Zeilen werden nicht meht eindeutig verlaufen. Sie sind “weich”, plastische, manipulierbar geworden. Man kann sie zum Beispiel aufbrechen, Fenster in ihr öffnen, oder man kann sie rekursiv machen. Die in sie eiingetragenen Schlusspunkte können ebensogut als Ausgangspunkte angesehen werden. Ein derart geschriebene Text wird “dialogisch” sein, und zwar zuerst einmal im Sinn eines Zwiegesprächs, das aus dem Innern des Schreibens ins Feld hinausprojiziert wird. Der Text ist nicht mehr, wie auf dem Papier, das Resultat eines kreatives Prozesses, sondern er ist selber dieser Prozess, er ist selbst ein Prozessieren von Informationen zu neuen Informationen.
Vilem Flusser, ‘Hinweg vom Papier’, in Medienkultur, Fischer, Frankfurt/Main, 1997, p. 63 (1987)
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